Zurab Zazashvili ist ein wahrer Experte für Luxus-Uhren der Spitzenklasse. Sein Blog instagram.com/swisswatches hat mehr als 153.000 Abonnenten, was nahezu rekordverdächtig ist. Jetzt traf Zazashvili jüngst Jean-Marc Pontroué, den CEO von Roger Dubuis, zum entspannten Interview in einem Hamburger Restaurant. Das Original-Interview wurde auf WatchTime veröffentlicht, während wir exklusiv die deutsche Übersetzung erhielten und sie Ihnen natürlich nicht vorenthalten wollen:
Zurab Zazashvili: „Roger Dubuis ist eine noch sehr junge Marke. Wie haben Sie es geschafft, Roger Dubuis in einer Welt, die geprägt ist von Tradition und Geschichten, erfolgreich zu etablieren? Wie differenziert sich Roger Dubuis?“
Jean-Marc Pontroué: „Als die Geschichte von Roger Dubuis im Jahre 1995 begann, war das Prinzip geboren, sich zu diversifizieren. Für alles, was wir machen, nutzen wir keine Standardprofile, die in der Uhrenindustrie üblich sind, sei es das Produkt- oder Marketingkonzept oder die Menschen, mit denen wir uns umgeben. Wir wollen in jeder Hinsicht innovativ sein. In der Schweiz gibt es über 700 Marken, die Uhren herstellen. Roger Dubuis kann als eigenständige und junge Marke nur existieren und erfolgreich sein, indem sie sich differenziert von den traditionsgeprägten Marken, die bereits seit 100 oder 150 Jahren bestehen. Wir verfolgen das Prinzip, langfristig zu planen, auf eine Existenz, die sich nicht nur auf 10 oder 20 Jahre beschränkt. Außerdem lassen wir uns nicht von Tradition inspirieren, sondern setzen auf unsere Kompetenz, weil wir eine Manufaktur mitten im Zentrum von Genf sind. Roger Dubuis unterscheidet sich über das Produktkonzept und das Marketing. Seit der Gründung verfolgt die Marke das Prinzip alle Produkte so herzustellen, dass sie das Genfer Siegel tragen. Darüber hinaus haben unsere Produkte ein Design, das sehr stark und auffällig ist. Durch unsere Werke und durch die Limitierung der Uhren gewährleisten wir Glaubwürdigkeit und Exklusivität. Wir wollen Abstand zu anderen Marken nehmen, indem wir das machen, was andere noch nicht gemacht haben. Dabei verfügen all unsere Produkte über die spezielle Roger Dubuis DNA.“
Zurab Zazashvili: „Was muss eine Uhrenmarke wie Roger Dubuis heute tun, um weiterhin erfolgreich zu sein?“
Jean-Marc Pontroué: „Wir verfolgen nicht jedes Jahr einen neuen Trend oder eine bestimmte Tendenz. Wir sind darauf fokussiert, was genau wir machen wollen. Wir befinden uns noch im Aufbau, in der sogenannten Jugendphase der Marke. Dabei versucht das Roger Dubuis Team, bestehend aus 300 Mitarbeitern, immer das Ziel im Auge zu behalten und dieses auch zu erreichen. Dafür braucht es Konsequenz und das Bewusstsein, dass ein solcher Prozess Zeit in Anspruch nimmt. Es ist eine Chance, zu der großen Unternehmensgruppe Richemont zu gehören, die dafür bekannt ist und sehr oft bewiesen hat, Erfolgsgeschichten zu schreiben. Wir sind keine Marke, die schnellen Profit erzielen möchte, sondern eine Marke, die langfristig denkt und in der Zukunft eine erfolgreiche Geschichte schreiben will. Durch die Zugehörigkeit zu Richemont haben wir die Möglichkeit, uns diese Zeit zu nehmen, die diese Geschichte braucht.“
Zurab Zazashvili: „Welchen Einfluss hat die Frankenaufwertung, über die in letzter Zeit viel berichtet wurde, auf die Entwicklung von Roger Dubuis? Wie machen sich diese wirtschaftlichen Umstände bemerkbar?“
Jean-Marc Pontroué: „Als ich von Deutschland in die Schweiz kam, lag der Wechselkurs EUR/CHF bei ca. 1 : 1,6, nach einiger Zeit schon bei 1 : 1,2. Die Arbeitslosigkeit liegt in der Schweiz bei 3% und das Exportniveau ist mit dem Pro-Kopf-Export Deutschlands vergleichbar. Die Wirtschaft ist demnach widerstandsfähig, die Wettbewerbsfähigkeit groß. Seit 2000 ist die Schweiz das Zentrum Europas und wird langfristig seine Stabilität bewahren. Roger Dubuis trägt den größten Teil der Kosten mit Schweizer Franken, da wir in Genf sitzen. Es ist natürlich weiterhin eine Herausforderung alle Kosten in der Schweiz zu halten. Heute ist das Verhältnis zwischen Euro und Schweizer Franken 1,00 zu 1,06. Damit haben wir nur 10 Prozent Verlust, was aber viel mehr ein Problem kleinerer Geschäfte in Grenznähe zur Schweiz ist. Wir sind sehr zuversichtlich und sehen es als ein Glück an, in einem währungsstarken Land zu sitzen.“
Zurab Zazashvili: „Dubuis verblüfft immer wieder, wie in 2015 mit Neuheiten wie skelettierte Mikrorotoren oder Lünetten mit in Kautschuk gefassten Diamanten. Gibt es Ihrer Meinung nach einen spürbaren Wandel, was Kunden beim Kauf einer Luxusuhr erwarten und worauf sie achten? Spielen technische Neuheiten eine Rolle?“
Jean-Marc Pontroué: „Für Roger Dubuis ist es nicht höchste Priorität die Marke nach dem Bedarf der Kunden auszurichten, Roger Dubuis steht in erster Linie für Innovationen. Die Erwartungen unseres Publikums sind viel größer als die des Publikums von anderen Uhrenherstellern. Wir denken bei unseren Weltneuheiten, die wir lancieren, vorrangig an unser Konzept als an die wenigen Menschen, die sich diese bestimmten Neuheiten leisten können. Wir wollen nicht gleiche Innovationen oder gleiche Materialien nutzen wie die Konkurrenz, sondern über die Grenzen hinaus denken und mehr schaffen. Wir wollen nicht im gleichen Atemzug erwähnt werden wie andere Marken, die etwas Ähnliches oder Gleiches entwickelt haben. Daher ist es unser Bestreben, etwas Unglaubliches zu entwickeln wie z.B. in Kautschuk gefasste Diamanten. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, der Überraschungseffekt lohnt sich für uns aber. Manchmal haben wir bis zu zehn Projekte gleichzeitig, von denen es nur eines bis zum Ende schafft. Wir investieren außerdem kein Geld in die Marktforschung. Es mag vielleicht keine Nachfrage für Diamanten in Kautschuk geben, aber wer, wenn nicht wir, könnte das dennoch verwirklichen. Und die Erfolgsquote solcher Innovationen ist hoch, weil wir eine bestehende Kundschaft haben, die alles andere schon besitzt, etwas Überraschendes von uns erwartet und gerne investiert.“
Zurab Zazashvili: „Wie sieht für Sie der typische Träger von Roger Dubuis Uhren aus?“
Jean-Marc Pontroué: „Ein typischer Roger Dubuis Träger ist eine Person, die schon alles hat. Das können Autos, Häuser oder auch andere Uhren sein. Die Uhr ist nur ein Teil für diese Person. Sie benötigt aber ein Alleinstellungsmerkmal. Ich komme aus der Haute Couture, die Menschen interessierten sich für einzigartige Stücke. Letztendlich ist das vergleichbar. Die Person, die bereit ist 250.000 Euro in eine Uhr zu investieren, will sicherstellen, der Einzige unter vielen Weiteren zu sein, der eine solche Uhr trägt.“
Zurab Zazashvili: „Zum diesjährigen SIHH: Warum trifft man immer wieder und in so vielen Variationen auf das Thema des „Skelettierens“ und was ist das Besondere daran?“
Jean-Marc Pontroué: „Roger Dubuis stellt schon seit zehn Jahren skelettierte Uhren her. Seit meinem ersten Tag bei der Marke habe ich Lust einen Doppeltourbillon zu tragen. Wenn Sie täglich auf einer gut ausgebauten Autobahn fahren, merken Sie nicht mehr wie großartig diese Straße ist, es ist Normalität geworden. Ähnlich verhält es sich bei uns. Wir haben nicht gemerkt, dass wir mit unseren skelettierten Doppeltourbillons bereits etwas Außergewöhnliches geschaffen haben. Deswegen ist keiner darauf gekommen, daraus eine Heldengeschichte zu machen. Wir wollten diesmal keine weitere Familie neben unseren Welten schaffen, sondern einen bestimmten technischen Aspekt hervorheben, der auch auf unsere anderen Produkte übertragbar sein könnte.“
Zurab Zazashvili: „Warum kann man die Manufaktur Roger Dubuis als Wegbereiter moderner Skelettuhren bezeichnen?“
Jean-Marc Pontroué: „Wir wollen damit verdeutlichen, dass Roger Dubuis die erste Marke ist, die einen anderen Weg geht als traditionelle Skelettwerke, die kleine, runde Formen haben, im Gegensatz zu modernen Skelettwerken wie den unseren, die zum Beispiel den Stern als grafisches Designelement aufnimmt. Wir wollten eine eigene Geschichte schaffen, die einen modernen, technischen und geometrischen Ansatz hat. Im Gegensatz zu anderen Marken machen Skeletons einen großen Teil unseres Geschäfts aus, sie sind das Standbein und das Kerngeschäft unserer Entwicklung. Und dadurch, dass Roger Dubuis seit 20 Jahren besteht und seit 10 Jahren moderne skelettiere Uhren entwickelt, macht das Skelettieren einen großen Teil unserer Geschichte aus.“
Zurab Zazashvili: „Warum wird zwischen den Kalibern Skelett Technik, Skelett Automatik, und Skelett Kreativ unterschieden?“
Jean-Marc Pontroué: „Wir wollten unbedingt ein eigenes Konzept haben mit gleichen Motoren, aber unterschiedlichem Finishing. Wir haben ein neues Werk mit Mikrorotor entwickelt, das das gleiche Konzept verfolgt wie ein Tourbillon oder Doppeltourbillon, nur dass es ein Automatikwerk ist. Außerdem haben wir das technische Outdoor Spider Konzept und das kreative Schmuck Konzept. Neben den skelettierten Uhren, die überwiegend für Männer gedacht sind, haben wir ein gutes Design finden können, wie wir das Konzept auch für die Damenwelt nutzen können. Wir haben also ein Thema gefunden, dass in unterschiedliche Richtungen übersetzt werden kann: technisch, automatisch und kreativ.“
Zurab Zazashvili: „Warum heißt das Gesamtkonzept der Skelettkaliber von Roger Dubuis „Astral Skeleton“ und wie wurde dieses Thema auf dem Messestand des diesjährigen SIHH übertragen?“
Jean-Marc Pontroué: „In den Uhren sind drei Sterne eingearbeitet. (Zeigt die neue Excalibur Spider Skelett) Es gibt einen zentralen Stern und zwei weitere. Diese Sache ist einzigartig und anstatt nur von einem „Stern“ zu sprechen, haben wir das Thema „Astral Skeleton“ genannt, um dem Ganzen mehr Inhalt zu geben. Auf der diesjährigen SIHH war die ganze Welt von Roger Dubuis mit dieser Geschichte verbunden: Die Pressekonferenz, 3000-fach vergrößerte Uhrwerke, spezielle Brillen, die die Astral Skeleton Welt erlebbar machten – alles war diesem Thema gewidmet. Wir haben im Gegensatz zur Haute Couture, die in wenigen Minuten Trends präsentieren muss, fünf Tage Zeit Presse, TV, Blogger und Kunden zu treffen und ihnen die Welt von Roger Dubuis für die kommenden 365 Tage vorzustellen. Dabei geht es auch darum, die Botschaft nicht nur technisch möglich zu machen, sondern eine Botschaft zu finden, die verstanden wird. Die Welt der Uhren ist schon eine komplizierte Welt, daher ist es ratsam sie nicht noch weiter zu verkomplizieren. Es geht um Authentizität. Die Message soll den Kern des Ganzen erfassen und dem Menschen das Gefühl geben, sich selbst in der Geschichte wiederfinden zu können.“
Zurab Zazashvili: „Wie ist Roger Dubuis strukturiert, um den Anforderungen und Erwartungen auf dem SIHH gerecht zu werden?“
Jean-Marc Pontroué: „Roger Dubuis ist die einzige Uhrenmarke, die einen Creative Director hat. Wir sind nicht wie eine typische Uhrenmarke organisiert, sondern eher wie eine Fashionmarke. Zwei Abteilungen arbeiten eng miteinander zusammen: Der Werkehersteller, quasi das Creative Center und das Design Center, zuständig für die Produkte. Verglichen mit der Mode wären der Werkehersteller der Couturier und das Design Center der Designer, der die Geschichte darum entwirft. Teamarbeit und Austausch sind in einem kleinen Unternehmen sehr wichtig. Ich spreche mit unserem Creative Director, was ich als Kerngeschichte sehe und er erarbeitet selbstständig ein Konzept. Ob dieses Konzept funktioniert oder nicht, sehen wir anschließend im gemeinsamen Meeting im Juli. Unser Creative Director besitzt das große Talent, neue Geschichten zu erzählen und Konzepte zu entwickeln, die es so noch nicht gegeben hat. Wir befinden uns gerade in einer heißen Phase, da wir im Juni schon für den SIHH 2016 bereit sein sollen. Die Produkte sind zwar fertig, aber wie sie für den SIHH 2016 in eine neue Roger Dubuis Welt übersetzt werden, ist noch offen.“
Zurab Zazashvili: „Roger Dubuis ist die weltweit einzige Manufaktur, bei der jede Uhr das Genfer Siegel erhält. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus? Welche Expertise und wie viel Zeit muss investiert werden?“
Jean-Marc Pontroué: „Das Genfer Siegel war vom ersten Tag an unser Prinzip, um die Marke erkennbar zu machen. Es braucht viel Disziplin und viele Uhrmacher, die diese Arbeit kennen. Es ist wie täglich Sport zu treiben. Es ist eine Gewohnheit und klappt automatisch und intuitiv, weil jeden Tag trainiert wird. Man kennt die Arbeitsweise, gelernt wird durch Erfahrung. Bei uns ist das nicht anders. Unsere Produkte mit dem Genfer Siegel herzustellen ist ein Teil unserer Arbeitsmethodik und normal für unsere Mitarbeiter. Der Arbeitsaufwand bei der Herstellung von Werken mit Genfer Siegel nimmt 40% mehr Zeit in Anspruch als ein gleiches Werk ohne dieses Siegel, aber es ist ein Teil unserer Arbeitskultur und unseres Qualitätsanspruchs. Wir sind stolz darauf die einzige Marke zu sein, die es zu ihrem Bestreben gemacht hat alle Werke mit der Genfer Punze zu versehen.“
Zurab Zazashvili: „Sie feiern dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. Auf welche Erfolge sind Sie rückblickend am meisten stolz? Wie sehen die nächsten 20 Jahre von Roger Dubuis aus?“
Jean-Marc Pontroué: „Die Geschichte von Roger Dubuis ist eigentlich eine unglaubliche Geschichte. Wir gehören zu den 40 größten Uhrenmarken weltweit, und das in nur 20 Jahren Bestehen. Es gibt nicht viele Marken, die so jung sind und einen so hohen Stellenwert in diesem stark vom Wettbewerb geprägten Industriezweig haben. Jeder Mitarbeiter kann stolz sein, Teil dieser Marke zu sein und Projekte fast ohne Grenzen durchführen zu können. Natürlich gibt es gewisse Grenzen wie Preise, Distribution, Marketing und ähnliches, doch das Ausleben unserer Fantasie ist durchaus mit weniger Grenzen verbunden als bei anderen Marken. Diese Eigenschaft haben wir seit dem ersten Tag bewahrt. Wir haben außerdem die Chance Herrn Roger Dubuis noch in unserer Gesellschaft zu haben. Auch er kann bestätigen, dass sich das Prinzip und die Wertvorstellung der Marke seit dem Tag der Gründung nicht geändert haben. Im Jahr 2016 haben wir das Ziel genau so weiterzumachen. Wenn ich an die nächsten Jahre denke und an einen strategischen Plan, so haben wir natürlich hunderte Produkte, kleinere und größere, neue Materialien, neue Zifferblätter. Aber wir müssen auch an die Basis denken: Die Marke, Boutiquekonzepte, Menschen, Werke, Qualitätsniveaus – diese Faktoren müssen weiterhin unterstützt und tiefer ausgearbeitet werden. Wichtig ist letztendlich die Kreativität und die Herausforderung die Menschen immer wieder überraschen zu können.“
Zurab Zazashvili: „Können Sie uns verraten, was 2015 noch Spannendes bei Roger Dubuis passieren wird?“
Jean-Marc Pontroué: „Die SIHH ist für uns das größte Event des Jahres. Natürlich gibt es auch die Watches & Wonders, auf der Neuheiten vorgestellt werden. Doch bei der SIHH präsentieren wir alle Neuheiten, die wichtigsten Geschichten, wie z. B. der Astral Skeleton werden hier geschrieben. Für 2016 bereiten wir eine Story für Frauen vor, aber es ist noch einiges zu tun, um auch nächstes Jahr den garantierten Überraschungseffekt auf unserer Seite zu haben. Denn die zentrale Geschichte, die auf der SIHH präsentiert wird, begleitet Roger Dubuis während des ganzen Jahres auf unterschiedlichen Events. Das Konzept für den Astral Skeleton entstand im April und Mai, das heißt wir befinden uns momentan auch in dieser Kreativitätsphase.“